Zeitungsartikel und Berichte aus der Praxis für Neurofeedback-Olten

  

Interview des Leiters Fachberatung und Support am Schulheim Sommerau mit der Neurofeedback-Therapeutin Simone Zaugg-Jäger

(Publiziert im Jahresbericht 2016 des Vereins Sommerau)

 

 

 

Die Psychologin Simone Zaugg-Jäger bietet im Schulheim Sommerau seit vier Jahren Neurofeedbacktherapie an. Etliche Kinder und Jugendliche profitieren von diesem Angebot. Im Gespräch mit Simone Zaugg stellen wir Ihnen die Therapieform näher vor.

 

 

 

Simone Zaugg, ein Teil der uns anvertrauten Kinder macht bei dir eine Neurofeedback-Therapie. Was erwartet ein Kind, das zum ersten Mal in eine Stunde kommt?

 

Dem Kind wurde die Therapie schon vorgängig durch die Bezugsperson vorgestellt. Es fällt mir stets auf, dass die Kinder unvoreingenommen zur Therapiestunde kommen. Das Neue ist für die Kinder interessant und sie sind gespannt wie das funktionieren soll. Oft sind sie auch sehr begeistert, dass sie bei mir einen Film schauen oder ein Spiel machen dürfen und dann ist das Anlegen der Elektroden am Kopf Nebensache.

 

 

 

Anders als beispielsweise in einer Gesprächstherapie steht beim Neurofeedback nicht das Reden über Sorgen und Nöte im Zentrum. Bei deiner Behandlung sehen sich Kinder Filme an. Was geschieht da genau?

 

Beim Neurofeedback verfolgen wir das gleiche Ziel, wie in einer Gesprächstherapie: Wir wollen Denken und Fühlen miteinander verbinden. Der Weg ist ein anderer. Die Kinder schauen einen Film oder „spielen“ ein Autorennen am Bildschirm. Dabei werden ihnen mit 3 bis 5 Elektroden am Kopf die Hirnströme abgenommen. Mit diesem Signal wird der Film oder das Spiele gesteuert. Produziert das Gehirn die gewünschten Hirnwellen, erfolgt eine Belohnung indem sich der Film bewegt, die Musik ertönt, das Spiel läuft. Wenn die Hirnaktivität zu stark von der individuellen Trainingseinstellung abweicht, stoppt der Film und rüttelt der Ton. Diese Lernreize werden vom Hirn erkannt und zur Reorganisation der Hirnaktivität genutzt was sich positiv auf das Verhalten, die Emotionen und die Leistungsfähigkeit auswirkt.

 

 

 

Für welche Kinder ist Neurofeedback geeignet?

 

Die Therapieform ist nicht an eine Diagnose gebunden.

 

Therapieziele könnten sein, die persönliche Leistungsfähigkeit durch Konzentration und Motivation zu steigern, den Zugang zu den eigenen Ressourcen zu öffnen, körperliche und emotionale Ausgeglichenheit und Stabilität erlangen und die Impulsivität zu verbessern.

 

 

 

Gibt es Kinder, die nicht auf Neurofeedback ansprechen?

 

Die meisten Kinder sprechen gut auf die Therapie an, da die Therapieform einerseits lustvoll und motivierend ist, anderseits strebt das Gehirn grundsätzlich nach optimaler Funktionalität und einer oekonomischen Arbeitsweise. Es will Entlastung, damit es Kapazität für neues Lernen hat. Wie schnell ein Gehirn neue Verhaltensmuster annimmt ist individuell und vom sozialen und emotionalen Umfeld abhängig.

 

Der Erfolg hängt, wie bei jeder Therapie auch von seinem Umfeld ab, erhält das Kind und das Gehirn die nötige Ruhe und Sicherheit damit es Altes verlassen und etwas Neues auszuprobieren kann?

 

 

 

Wie ist die Neurofeedback wissenschaftlich untersucht?

 

Mittlerweile gibt es immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen die die Wirksamkeit von Neurofeedback untersuchen und belegen. Die meisten Studien werden zum Thema ADHS Problematik lanciert. Diese belegen, dass mit Neurofeedback die ADHS Symptome in den Problembereichen Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität um 25 - 30 % gesenkt werden können.

 

 

 

Was bedeutet für dich Erfolg in der Behandlung?

 

Erfolg ist für mich weit mehr, als nur eine Verhaltensänderung, die wir von aussen betrachten. Es genügt nicht, wenn die Eltern oder Lehrer, die sich vielleicht ein ruhigeres Kind wünschen, sehen, dass es sich besser konzentrieren kann oder es schafft, ruhig in einer Schulstunde zu sitzen. Für mich ist es ein Erfolg, wenn ein Kind insgesamt an Selbsterfahrung, Lebensqualität und Selbstvertrauen gewinnt und in bestimmten Lebensbereichen eine Entlastung erfährt. In der Therapiesitzung hat das Kind Raum für sich, wo es ganz alleine Kind sein kann. Es kann beim Autorennen Erfolge feiern, was ihm in der Schule vielleicht oft verwehrt ist. In der Therapie spürt es oft seine Freude und die Motivation am konzentrierten Arbeiten. Diese Erfolge stärken das Selbstbewusstsein, da es positive Erlebnisse und Bilder von und über sich sammelt. Ebenso hat das Kind einen Proberaum, der ihm ermöglicht andere Erfahrungen zu machen und sich selber zu entdecken. Viele kleine Erkenntnisse die das Kind in der Therapie erfährt, diskutieren wir gemeinsam und transferieren die neuen Erkenntnisse und das neue Verhalten in den Alltag.

 


P&E Psychologie und Erziehung 2/2015 (Schweizerische Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie SKJP)       ’Alles Neuro... oder was!?’

 

Discussion sur le théme: Neuropsychologie

 

Ein Tag in der „Praxis

Neurofeedback Olten“

 

 

Simone Zaugg-Jäger

 

 

Die erste Klientin heute Morgen ist eine junge Uni-Studentin anfangs zwanzig. Die ganze Schulzeit hindurch hat sie sich mit einer ADHS Problematik durchgeschlagen. Jetzt ist sie entschlossen, ihre Organisations- und Lernstrategien zu verbessern. Das selbstorganisierte Lernen im Studium beschert ihr Frustration und kostetsie eine Menge Energie. Sie schiebt jeweils den Lernstoff bis zum letzten Zeitpunkt auf. Lernen gelingt ihr nur, wenn sie sich so viel Druck aufgebaut hat, dass sie keine andere Wahlmöglichkeit hat. Mit dieser Lernstrategie gibt es immer wieder viel Stress, was sich unteranderem durch körperliche Symptome äussert. Neben Neurofeedback erhält sie Unterstützung in der Lern- und Arbeitsorganisation. Im EEG zeigen sich viele schnellrhythmische (Stress-) Wellen im limbischen System und ein unteraktivierter frontaler Kortex. In diesen beiden Hirnarealen setzen wir das Training an.

 

Eine Stunde später kommt eine Frau im selben Alter.

Sie hat eine schwierige Schul- und Lehrzeit hinter sich. Sie scheiterte an Überforderung durch das schnelle Arbeitstempo im Lehrbetrieb und an Schwierigkeiten in den Fremdsprachen in der Berufsschule, sowie an Mobbing durch Mitschüler und Lehrpersonen. Nach einem Lehrabbruch arbeitet sie in einem berufsfremden Bereich und schliesst nun die allgemeinbildenden Fächer der Lehre ab, um später eine neue verkürzte Lehre in einem Erwachsenenlehrgang zu absolvieren. Erstmals erlebt sie sich als gute, erfolgreiche und von den Mitstudierenden geschätzte Schülerin, von der man sich Rat und Unterstützung holt. Diese neue Rolle gibt ihr Selbstvertrauen und stärkt ihr Selbstwertgefühl. Wir sind bereits am Auslaufen der Therapie. Diese Klientin kommt nur noch alle zwei bis drei Wochen. Die Therapie war hauptsächlich geprägt durch Trainings auf dem frontalen Kortex zur Verbesserung der Exekutivfunktionen und Trainings auf den Spracharealen. Im Zentrum stand auch die Begleitung dieses Übergangs und das Erarbeitens neuer Perspektiven.

 

Danach kommt ein Primarschüler. Er darf während der Schulzeit in die Therapie kommen. Er ist ein hervorragender Schüler, der sich aber in der Schule eher langweilt, daher unmotiviert und sozial auffällig ist. Auch zu Hause im Zusammenleben mit der Familie gibt es oft Streit und Widerstand. Bei ihm geht es primär um das Verbinden der kognitiven und emotionalen Kompetenzen und das Schaffen eines Gleichgewichtes zwischen geistiger und psychischer Reife. Er erhält vor allem bipolare Trainingseinheiten, da geht es um das interhemisphärische Verbinden der beiden Hirnhälften, so dass er beim Denken, Urteilen und Handeln alle Aspekte seiner Wahrnehmung und Kompetenzen einbeziehen kann, sowie auch um parietale und frontale Trainings.

 

Am Nachmittag kommt ein Kind, das bereits viele Therapiestunden hat. Durchschnittlich trainieren die Klienten plus minus ein Jahr, was ca. 20 bis 30 Sitzungen beinhaltet. Seit ein paar Monaten konnte dieser Junge seine Rolle als Sündenbock, Opfer und Täter von Gewalt, Hänseleien und Mobbing in der Schule ablegen. Nach vielen Gesprächen mit Eltern und Lehrern und einem grossen Engagement der Eltern, konnte er im Klassenverband eine neue Stellung besetzen. Mit ihm trainierte ich vor allem emotional stabilisierende Trainings und solche, die es ihm ermöglichen seine Impulse zu kontrollieren. In seiner neuen Rolle fühlt er sich nun sehr entlastet. Jetzt wiederholt er freiwillig die 7. Klasse, um sich endlich dem Schulstoff widmen zu können.

 

Später kommt eine Frau mit Schlafproblemen und Energieverlust. Sie leidet unter Gedankenkreisen, welches auftritt, wenn sie inaktiv ist oder im Bett liegt. Dies hindert sie beim Einschlafen. Zusätzlich wacht sie in der Nacht auf und liegt für 1-2 Stunden wach. Indem wir die Aktivitätsverteilung von Hinterhaupt und Frontalhirn optimieren, gelingt es ihr, das Gedankenkreisen zu stoppen. Der Schlaf regeneriert sich und die Energie kommt allmählich zurück.

 

Auch im Neurofeedback erarbeitet man sich die Lösungen Schritt für Schritt. Neurofeedback unterliegt den selben Gesetzen wie jede andere Therapie. Einen wichtigen Teil übernimmt der Klient, der den Willen und die Ressourcen haben muss, um neue Verhaltensmuster im Alltag auszuprobieren und zu integrieren. Dazu braucht es auch ein entsprechendes Umfeld, damit der Mensch und das Gehirn die nötige Ruhe und Sicherheit erhalten, um Altes zu verlassen und Neues auszuprobieren. Neurofeedback fördert und ermöglicht mit einem verändertem Gehirn-Aktivitätsmuster eine bessere Selbst- und Fremdwahrnehmung, verbessert die Selbstregulationsfähigkeit und ermöglicht somit neues Verhalten.

Neben den Neurofeedbacktrainings unterstütze ich meine Klienten auch bei diesem Transfer in den Alltag. Neurofeedback ist mit zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden. Ein grosser Vorteil dieser Therapieform ist aber, dass sie wirklich Spass macht. Auch Klienten, die Motivationsprobleme haben und sonst wenig Durchhaltewillen zeigen, kann man gut für die Therapie gewinnen und bis am Schluss begeistern.

Die Klienten und Klientinnen schauen einen Film oder „spielen“ ein Autorennen am Bildschirm. Dabei messen 3-5 Elektroden am Kopf die Hirnströme im zu trainierenden Hirnareal. Die Animation wird durch die eigenen Hirnwellen gesteuert. Produziert das Gehirn die gewünschten Hirnwellen, gibt es eine Belohnung, indem sich der Film bewegt, die Musik ertönt, man das Autorennen gewinnen kann. Das Hirn versucht nun möglichst viel Belohnung zu erhalten und lernt so, die gewünschten Frequenzen zu produzieren. Wenn die Hirnaktivität zu stark von der individuellen Trainingseinstellung abweicht, stoppt der Film und der Ton wird verzerrt, das Bild wird grau, Punkte verdecken die Sicht oder das Bild schrumpft zu einem Minibild. Diese Lernreize werden vom Hirn erkannt und zur Reorganisation der Hirnaktivität genutzt. Somit kann das Gehirn eine einseitige und unausgeglichene Funktionsweise seiner Hirnwellen erkennen und selbst beheben. Wir lieferndem Hirn also nur die Informationen die es braucht, um sich selbst zu heilen.

 

 

Hinweis: In Nummer 2.2011 von ‚P&E Psychologie und Erziehung’ zum Thema Alternative Therapien erschien ein Artikel von Verena Cathomen (Neurofeedbacktherapeutin und Psychologische Beratung) mit dem Titel „Neurofeedback, auch EEG-Biofeedback genannt, ist ein wissenschaftlich anerkanntes Hirntraining“. Der vorliegende Beitrag ergänzt diesen Übersichtsartikel mit Beispielen aus der Therapie.

 

 

Autorin: Simone Zaugg-Jäger, Psychologin FH, Dipl. Berufs- und Laufbahnberaterin. Fachpsychologin in Berufs- und Rehabilitationspsychologie,

16- jährige Tätigkeit als Berufs- und Laufbahnberaterin.

Eigene Praxis für Neurofeedback seit Mai 2010 in einer Gemeinschaftspraxis für Psychotherapie in Olten, (www.neurofeedback-olten.ch) sowie Neurofeedbacktherapeutin in einem Schulheim für normalbegabte, verhaltensauffällige Kinder seit April 2010.

 

 

 

28 SKJP/ASPEA | Psychologie und Erziehung/Psychologie et Education | P&E 2.15

 Schwerpunktthema: Neuropsychologie